Herkules
Der Herkules gilt als das Wahrzeichen der Stadt Kassel, er befindet sich im Bergpark Wilhelmshöhe.
Eigentlich ist der Herkules eine Kupferstatue des antiken Herakles (lat. Hercules, eingedeutscht Herkules). Die Statue befindet sich an der Spitze einer Pyramide, die auf dem Oktogon, dem Riesenschloss steht. Heute versteht man unter Herkules nicht nur das Standbild, sondern das gesamte Bauwerk, welches auch den Ausgangspunkt der sommerlichen Wasserspiele im Bergpark bildet. Das Oktogon und der Herkules gehen auf verschiedene Bauphasen zurück.
Das Bauwerk steht in Bad Wilhelmshöhe, auf dem östlichen Bergkamm des Habichtswalds. Es wurde in einer leichten, künstlich ausgeformten Mulde vom Karlsberg (526,20 m ü. NN) auf der westlichsten und zugleich höchstgelegenen Stelle (515 m) der Sichtachse Schloss Wilhelmshöhe-Herkules errichtet.
Entstanden ist der schlossartige Herkules in den Jahren 1701 bis 1717 nach Entwürfen des Italieners Giovanni Francesco Guerniero. Die Gesamtanlage trägt inklusive der dem Herkules vorgelagerten Kaskaden nach dem Bauherren, Landgraf Karl von Hessen-Kassel, auch die Bezeichnung Karlsberg und ist unter diesem Begriff sowohl räumlich als auch baugeschichtlich ein barocker Teilaspekt und westlicher Abschluss des Bergparks Wilhelmshöhe.
Bereits 1696 wurde unter Landgraf Karl mit dem Bau für eine Mittelachse des damals bescheidenen Parks begonnen. Parallel dazu wurden auf dem Ostkamm des Habichtswalds etwa 500 m süd-südöstlich des heutigen Herkules und nur wenige Meter unterhalb des Gipfels vom Hüttenberg (555 m ü. NN) erste Gebäudeteile für ein Riesenschloss errichtet – Kleiner Herkules bzw. Alter Winterkasten genannt. Man beschloss aber, diesen Berg, als Blickpunkt der Parkanlage und damit als Bauort aufzugeben, so dass die Arbeiten eingestellt wurden. An der Bauruine, die seit langer Zeit vom Wald überwuchert wird, sind noch einige Mauer- und Fundamentreste vorhanden. Erst 1699 lernte Landgraf Karl in Italien Giovanni Francesco Guerniero kennen. Mit dem Bau des barocken Riesenschlosses wurde 1701 begonnen, die Aufstellung der Herkules-Statue auf dessen Dachpyramide erfolgte am 30. November 1717, womit das Bauwerk fertig gestellt wurde (aufgrund des im November für Kassel typischen ungastlichen Wetters wird in Anlehnung an das Fertigstellungsjahr der „Geburtstag“ des Bauwerkes am 7.7. begangen).
Der von Landgraf und Architekt gemeinsam entwickelte Entwurf wurde mehrfach abgeändert, so wird die Pyramide mit dem Herkules-Standbild einer späteren Idee des Herrschers zugeschrieben. Im Jahr 1706 gefertigte Stiche zeigen, dass viel weitergehende Baumaßnahmen geplant waren, als letztendlich ausgeführt wurden. Guerniero wollte die hangabwärts vorgelagerten Kaskaden den gesamten Berghang hinunter, bis zum heutigen Schloss Wilhelmshöhe führen. Realisiert wurde davon nur etwa ein Viertel der Länge, was weniger am Willen des Landgrafen gelegen haben dürfte, als an seinen beschränkten finanziellen Möglichkeiten. Der verbliebene Raum zwischen Kaskaden und dem Schloss wurde letztendlich 70 Jahre später – durch im Grunde völlig konträre Planungen – gefüllt und bildet heute den Kern des „englischen“ Bergpark Wilhelmshöhe
Der Herkules ist 70,5 m hoch, wovon 32,65 m auf das Oktogon entfallen, 29,60 m auf die darauf aufgesetzte Pyramide (Pyramide 26,10 m; Pyramidensockel 3,5 m) und 8,25 m auf die Herkules-Statue. Die Gesamthöhe der Pyramide inklusive der Statue beträgt 37,85 m. Der Höhenunterschied zwischen der Schädeldecke der Statue, die sich bei 596 m ü. NN befindet, und dem Neptunbecken beträgt 179 m.
Das achteckige Bauwerk wurde als offenes, unverglastes Riesenschloss erbaut, wobei seine dreistöckige Bauweise aufsteigend von naturhaft übereinander aufgerichteten Felsgestein als tragendes Fundament-Bauwerk in geometrisch angeordnete Architektur übergeht.
An seinen Außenseiten führen Freitreppen zu den oberen Stockwerken. Das untere Stockwerk wurde mit vier felsigen Rundbögen versehen, über deren östlichsten man in das Bauwerk gelangen kann. In seinem Inneren befindet sich ein Wasserreservoir. Die wesentlich kleineren Rundbögen des zweiten Stockwerks wurden bereits in geometrischeren Formen ausgeführt. Auf dem obersten Stockwerk, in dem nicht nur die Rundbögen aus glatten Werksteinfassaden bestehen, ruht die riesige Aussichtsplattform.
Auf der Ostseite der Plattform thront auf einem viereckigen Sockel eine viereckige Pyramide mit der darauf stehenden Herkules-Statue, die wiederum auf einem viereckigen Sockel steht. Sie wiegt 3 t und besteht aus einem Stahlskelett, das von Kupferblech (verschiedenen Angaben zufolge zwischen 1 und 3 mm stark) überspannt wurde. Die Statue ist eine 1717 vollendete Arbeit des Augsburger Goldschmieds Johann Jacob Anthoni, der sie in Kassel im Messinghof in Kupfer trieb.
Kunstgeschichtlich gehört die Figur zum Typus des „Heracles Farnese“, des sich ausruhenden, über seine Taten nachdenkenden Herakles Während der Held in nachsinnender Haltung leicht zusammengesunken ist, stützt er sich auf seine Keule, die mit dem Fell des Nemeischen Löwen behängt ist (1. Tat). Seine rechte Hand liegt auf dem Rücken und hält die Äpfel der Hesperiden (11. Tat).
Zur Gesamtanlage Karlsberg gehören auch die Richtung Osten, hangabwärts, vorgelagerten Kaskaden, eine 250 m lange Steinkonstruktion, die eine ins gigantische vergrößerte Wassertreppe darstellt. Sie bildet den oberen Teil des Verlaufs der Wasserspiele.
Der Mittelteil der 9 m breiten Kaskadenanlage, die 5,50 m breiten Hauptkaskaden, wird beidseitig von je 1,75 m breiten und auf etwas höherem Niveau verlaufenden Nebenkaskaden begleitet. Die Kaskaden die vom Vorwerk Sichelbach mit Wasser gespeist werden, befinden sich zwischen dem Riesenkopfbecken und dem Neptunbecken zwischen denen pro Wasserspiel jeweils 350.000 Liter Wasser etwa 80 m Höhenunterschied überwinden; zwischen den beiden obersten Wasseraustritten, die sich oberhalb der Vexierwassergrotte am Herkules befinden, und dem Neptunbecken das am untersten Ende der Kaskaden errichtet wurde, sind dies etwa 105 m Höhenunterschied. Die Gesamtlänge der Wasseranlage beträgt zwischen der Vexierwassergrotte und dem Neptunbecken rund 320 m; inklusive des Oktogons sind dies ca. 400 m.
Die Kaskaden werden durch drei zwischenliegende Wasserbassins untergliedert. Deren Funktion im Rahmen der Wasserspiele besteht in einer „Choreografierung“ des Wasserflusses: Das von oben über die Stufen hinabströmende Wasser wird für einige Sekunden gestoppt, um kurz darauf – aus dem Bassin heraus – seinen Weg über die riesenhaften Steinstufen fortzusetzen. Für die Überwindung der Gesamtanlage benötigt das Wasser 30 Minuten; bis hinab zum Fontänenteich westlich des Schlosses Wilhelmshöhe sogar 1 Stunde.
Die Kaskaden werden von Treppenstufen begleitet, die in den gewohnten menschlichen Maßstäben errichtet wurden und den Besuchern den Zugang zum Bauwerk erschließen bzw. zu den Wasserspielen ermöglichen. Inklusive dieser beidseitig errichteten Fußgängertreppen (rechts 539 Stufen; links 535 Stufen) ist die Anlage 12 m breit. Vom Neptunbecken bis in die Statue des Herkules sind es insgesamt 885 Stufen.
Zwischen dem Oktogon und den Kaskaden liegt die Vexierwassergrotte sowie ein räumliches System aus Bassins, Stufen (Kleine Kaskaden genannt) und Plattformen mit Brunnenanlagen, deren Figurenschmuck mythologische Motive zitiert.
Praktisch der gesamte Baukörper – Oktogon und Kaskaden – besteht aus Basalt-Tuffstein, der in nahegelegenen Steinbrüchen gewonnen wurde. Das weiche Material hatte den Vorteil der relativ guten Bearbeitbarkeit, es verwittert jedoch verhältnismäßig schnell und stellt seit 300 Jahren ein Problem beim Erhalt des Bauwerks dar. Hauptproblem ist hierbei die Frosterosion. Das poröse Tuffgestein saugt an der Oberfläche Regenwasser auf. Diese Randbereiche platzen bei Frost schichtweise ab. Weiteres Problem ist die schiere Masse des Bauwerks, welches das Oktogon auseinanderdrückt und den östlichen Teil den Karlsberg hinuntergleiten lässt. Einige Hallen und der komplette Südflügel sind wegen Einsturz- bzw. Steinschlaggefahr für Besucher gesperrt. Seit Herbst 2005 laufen die dringend nötigen und umfangreichen Restaurierungsarbeiten zum Erhalt des Bauwerks.