Mit einer bewegenden Ansprache eröffnete Oberbürgermeister Sven Schoeller den Neujahrsempfang der Stadt Kassel. Vor mehr als 1.000 Gästen im Kasseler Rathaus hob er die besondere Bedeutung der Stadt als Heimat, Stabilitätsanker und Ort der Gemeinschaft hervor. In einer Zeit zunehmender globaler Unsicherheiten und Veränderungen seien Halt und Vertrauen essenziell.
„Kassel ist für uns der Ort unseres gemeinsamen Lebens, er gibt uns Halt und Stabilität. Kassel ist unser Zuhause. Hier sind unsere Freunde, unsere Familie, unsere Nachbarn. Hier ist unsere Arbeit, hier ist unsere Aufgabe. Kassel ist die Stadt unseres Vertrauens. Hier gehören wir hin. Kassel ist das, was uns verbindet.“
Mit diesen emotionalen Worten zu Beginn seiner Ansprache im Rahmen des Neujahrsempfangs der Stadt Kassel zog Oberbürgermeister Sven Schoeller eine Verbindung zu den zunehmenden weltpolitischen Veränderungen und globalen Unwägbarkeiten dieser Zeit. Viele Menschen seien verunsichert und beunruhigt, dass die in 80 Jahren erworbenen Werte der Freiheit und der Demokratie immer mehr in Gefahr geraten. „Je stürmischer die See, desto bedeutsamer wird der sichere Hafen. In solchen Zeiten ist es gut, wenn man weiß, wo man hingehört“, erklärte Schoeller.
Jede und jeder vor Ort in Kassel sei dazu berufen, daran mitzuwirken, diese Werte zu verteidigen und sich dafür zu engagieren, so der Oberbürgermeister. „Das Engagement, das wir in unserer Stadt entfachen, die Zusammengehörigkeit, die wir in unserer Stadt erfahren, das Selbstbewusstsein, das wir in unserer Stadt erzeugen – das ist die Keimzelle für eine stabile Demokratie, die die Grundlage für eine Zukunft in Frieden und Freiheit ist.“
So lebe auch die Kulturstadt Kassel vom Engagement, von der Kreativität und von der enormen Innovationskraft der hier lebenden und wirkenden Kulturschaffenden, würdigte Schoeller. Dies gelte im Großen wie im Kleinen. „Die Entwicklung, die wir gemeinsam bei der documenta erreicht haben, trägt zum positiven Lebensgefühl und zum Selbstbewusstsein unserer Stadt maßgeblich bei“, so der OB. Die Ereignisse auf, um und nach der documenta 15 haben die Reputation der Ausstellung in einen regelrechten Abwärtsstrudel gerissen. Und was schlecht für die documenta gewesen sei, sei schlecht für Kassel gewesen.
Schoeller: „Wenn man eine Partnerschaft eingegangen ist, wie Kassel das mit der documenta getan hat. Dann sonnt man sich nicht nur in guten Zeiten. Sondern man geht auch gemeinsam durch die Krise. Wir haben nie das Vertrauen in die Ausstellung verloren. Wir haben uns nicht irre machen lassen von Schuldzuweisungen oder Trennungsgedanken. Sondern wir haben hart und intensiv gemeinsam mit dem Land und der documenta gGmbH daran gearbeitet, die documenta wieder groß und stark zu machen.“ Als krönenden Abschluss des documenta-Jahres 2024 habe man mit Naomi Beckwith eine exzellente Künstlerische Leitung für die documenta 2027 gefunden.
Kulturell sei Kassel noch viel mehr als nur die documenta, erklärte Oberbürgermeister Schoeller weiter. Beispielhaft nannte er das Zentrum für Kreativwirtschaft mit dem kürzlich eröffneten Begegnungsraum in der Wolfsschlucht und den im Frühjahr hinzukommenden Arbeitsflächen am Standort Schillerstraße im Gebäude der Neuen Nachrichtenmeisterei. „Wir binden hiermit kreative Köpfe an unsere Stadt.“
Einigen Kulturakteuren bot die Stadt Kassel auch beim Neujahrsempfang eine Bühne. Dazu gehörten die Kulturpreisträger 2024, das Zeicheninstitut (ZI), und die Kulturförderpreisträger 2024, die Initiative „Five o’clock‐Konzerte“.
Die Interimsstätte des Staatstheaters auf dem Gelände der ehemaligen Jägerkaserne entwickele sich in rasanter Geschwindigkeit. Schoeller: „Wenn das Projekt auch nur annähernd in dem ambitionierten Zeitplan bleiben sollte, dann wird der Theaterbau nicht nur ein großer Gewinn für den Kulturstandort Kassel, sondern es wäre auch ein Ausrufezeichen für die Funktionstüchtigkeit der Zusammenarbeit der beteiligten Akteure.“
Für die Entwicklung des ruru-Hauses in der City werde noch im Frühjahr die Bedarfsplanung gestartet, die auch in 2025 abgeschlossen wird. Mit einer modernen Stadtbibliothek im Kern soll das Haus „ein lebendiger Erlebnisraum werden, mit hoher Aufenthaltsqualität und vielfältigen Möglichkeiten, sich auszutauschen und weiterzubilden“. Davon werde die Innenstadt insgesamt profitieren.
Den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Kassel tragen neben Kultur und Sport eine Vielzahl unterschiedlichster Akteure, führte Schoeller in seiner Rede weiter aus. Dazu gehören auch die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften. Eine besondere Erfolgsgeschichte sei die Geschichte des ersten Kasseler Demokratiezugs, der im vergangenen Jahr auf das Gleis der Straßenbahnlinie 1 gesetzt wurde. Er biete Möglichkeiten zum Austausch und leiste einen Beitrag zur Debattenkultur. Schoeller: „Die Pluralität von Meinungen, die Toleranz unterschiedlicher Meinungen, die Bereitschaft, Augen und Ohren für die Position des anderen zu öffnen, sich damit zu befassen und eigene Positionen zu überdenken, nach gemeinsamen Kompromissen und Lösungen zu suchen. Das ist das Mark im Rückgrat der Demokratie.“
Zur Wahrheit zähle aber auch, so der OB weiter, dass die Akzeptanz des gesellschaftlichen Grundkonsenses und die Qualität des Lebensgefühls stets von den allgemeinen und individuellen wirtschaftlichen Bedingungen abhängig sei. Und hier standen und stehen auch Unternehmen der Region wie Wintershall, VW, SMA oder Hübner vor immensen Herausforderungen. Schoeller: „Wir als Stadt und Region beeinflussen eher wenig, was und wie hier ansässige Weltunternehmen produzieren – aber wir können darauf Einfluss nehmen, wie wir uns als Wirtschaftsregion nach außen präsentieren und welche Qualität wir als Standort bieten.“ Man wolle sich zukünftig ganz klar verstärkt als eine Region etablieren, in der umweltfreundliche und zukunftsfähige Technologien in den Sparten Mobilität und Energie produziert werden. Vor dem Hintergrund einer unsicheren weltpolitischen Lage werde Kassel zudem als Produktionsstandort für Wehr- und Verteidigungstechnik künftig noch mehr Bedeutung gewinnen, ist Schoeller überzeugt.
Neben den Kulturprojekten stehen in Kassel weitere spannende Stadtentwicklungsprojekte vor der Realisierung. So werde das Thema einer zweiten Eisfläche neben der mit viel Aufwand durch den Investor sanierten und umgebauten Nordhessen-Arena Fahrt aufnehmen, sagte Schoeller. Mit dem neuen Eigentümer könne sich auch auf dem Salzmann-Gelände in Bettenhausen tatsächlich etwas bewegen.
Interessant sei zudem die Entwicklung auf dem ehemaligen Henschel-Areal in Rothenditmold. Da stehen die Zeichen gut, dass der Investor die Flächen tatsächlich einer Umgestaltung und Nutzung zu gewerblichen, aber auch zu Wohnzwecken unterzieht. „Wir haben als Stadt aber ebenso ein Interesse daran, dass den Akteuren einschließlich der Museen, die sich auf dem Gelände etabliert haben, eine weitere bezahlbare Existenz ermöglicht wird“, so der OB.
Und schließlich werde die im vergangenen Jahr begonnene Sanierung und Erweiterung der Schulen und Kindergärten in Kassel konsequent fortgesetzt. Schoeller: „Die Stadt Kassel investiert aktuell so viel in städtische Bildungseinrichtungen wie seit den 1970er Jahren nicht mehr. Mit hunderten Millionen Euro werden sowohl der Sanierungsstau abgebaut, als auch der Ganztagsausbau und der Zubau von Schul- und Kitaplätzen vorangetrieben.“
Der Klimawandel bleibe eines der beherrschenden Themen. Das zeige auch das große Interesse der Menschen an der von der Stadt organisierten Bürgerversammlung zum Klimaschutz im vergangenen November. Auch diese Versammlung sei ein Ausweis der lebendigen Demokratie in unserer Stadt gewesen, so Schoeller.
„Ich freue mich darauf, gemeinsam mit dieser engagierten Stadtgesellschaft auch im neuen Jahr daran zu arbeiten, dass es viele Gründe, Gelegenheiten und Anlässe gibt, um dieses erhabene Gefühl der Identifikation ‚Das ist meine Stadt, hier gehöre ich hin‘ zu erleben“, erklärte Oberbürgermeister Schoeller abschließend.